06.08.2024 - 13:20

Am 14. Juli 2021 sind die Ärzte und Pflegekräfte am Verbundkrankenhaus Linz-Remagen über sich hinausgewachsen: Maximale Erstversorgung im Minutentakt. Viele Patienten, die zum Teil durch Angehörige begleitet wurden und der Rettungsdienst brachten einen Großteil der 766 Verletzten des Ahrtal-Hochwassers in die Notaufnahme. Dr. Tobias Greiner, Chefarzt Orthopädie/Unfallchirurgie denkt mit Schrecken aber auch mit Stolz und Hochachtung an die gemeinsam durchstandenen Stunden höchster Anspannung in der Notaufnahme, den OPs und auf den Zimmern. Remagen war das einzig noch erreichbare Krankenhaus in der Region. Nach über 30 Jahren wurde hier sogar wieder ein Kind glücklich zur Welt gebracht. Die Standorte in Linz (rechtsrheinisch) und in Remagen (linksrheinisch) waren für alle da.

So wie in normalen Zeiten auch: Seit fünf Jahren ist Greiner als Spezialist für Endoprothetik und Wechseloperationen für die beiden Standorte am Mittelrhein zuständig; dem Krankenhaus Maria Stern Remagen und dem Franziskus Krankenhaus Linz. Der Doppelstandort wurde von ihm im Bereich Orthopädie/Revision („Two in one“) maßgeblich weiterentwickelt. Beide Häuser wurden von den Franziskanerinnen von Nonnenwerth gegründet (Linz 1854/Remagen 1892). Die „Angela von Cordier-Stiftung“ ist heute 100-prozentige Gesellschafterin der gGmbH. Doch das Anliegen ist damals wie heute das gleiche: „Beim Heilungsprozess ist es enorm wichtig, dass die Patienten ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie nicht in erster Linie krank sind, sondern durch eine Operation mehr Lebensqualität zurückerhalten“, sagt Greiner.

 

TICKER: Was hat Sie bewogen, sich als Orthopäde zu spezialisieren?

Greiner: Mütterlicherseits gab es in meiner Familie eigentlich nur Ärzte. Bereits mein Großvater war Orthopäde in München. Er war wahrscheinlich einer der Ersten, der Metall bei seinen Patienten eingebaut hat. Die Implantate ließ er bei einem Schlosser fertigen, er sterilisierte dann diese „Implantate“ und baute sie ein. Diese Familiengeschichte hat mich schon früh geprägt. Dass ich Medizin studieren wollte, war bei mir recht früh klar. Wenn es in den Vorlesungen um Knochen und Gelenke ging, auch im Bereich Sportmedizin, war ich voll dabei. Ich konnte mir alles sehr schnell merken. Alle Informationen blieben in meinem Kopf. EKG-Ableitungen dagegen fielen mir nicht so leicht.

 

TICKER: Sie haben in den zurücklie­genden Jahren bereits zwei Mal ein Haus zur Zertifizierung „Endoprothetikzentrum“ geführt. Jetzt ist der Klinikverbund dran. Wann ist es so weit?

 

Greiner: Remagen ist bereits seit 2022 Endoprothetikzentrum. Und am Standort Linz soll es 2025 so weit sein.

 

TICKER: Und dann sind Sie wieder mal weg – Ziel erreicht? Greiner: Genau, dann möchte ich nicht mehr, denn langweilig darf es mir nicht werden … Nein, im Ernst, wenn das Verbundkrankenhaus Linz-Remagen Endoprothetikzentrum ist, dann will ich das auch mal genießen. 2019 habe ich in Rema gen angefangen und zwei Jahre später auch noch Linz übernommen und Richtung Orthopädie verändert. Nach der unfallchirurgischen Abteilung steht dort in den nächsten Monaten also die Zertifizierung an.

 

TICKER: Wie verlief Ihr Weg zum „Spezialisten für Endoprothetik“ und für „spezielle Wechsel-Endoprothetik“?

 

Greiner: Während des Studiums war ich ein Semester im Downtown Hospital New York. Da habe ich viel gesehen. Das war auch spannend, aber nicht viel großartiger als bei uns. Dort werden die gleichen Dinge gemacht, wie in Deutschland. Nach meiner chirurgisch/unfallchirurgischen Ausbildung habe ich recht schnell am St. Franziskus Hospital in Köln angefangen zu arbeiten. Die dortige Orthopädie hat eine lange Tradition und hatte einen großen Namen im Bereich der Endoprothetik - auch weil dort künstliche Ge lenke entwickelt wurden. Das St. Franziskus Hospital hat schon sehr früh mit SOPs (Standard Operating Procedures) etc. gearbeitet. Und diese standardisierten Vorgehensweisen bei elektiven Operationen erzielten besonders gute Ergebnisse. Heute ist das Klinikalltag. Mit der Endoprothetik und den Wechseloperationen inklusive standardisierter Abläufe bin ich in diesem Haus also schon früh in Kontakt gekommen.

 

„Wir haben mit unseren beiden Standorten gezeigt, dass hochwertige Versorgung an kleineren Häusern möglich ist.“

 

TICKER: Apropos großes Haus/ kleines Haus - wie sehen Sie der geplanten Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach entgegen?

 

Greiner: Prinzipiell muss es Veränderungen in der Krankenhauslandschaft geben. Aber nicht so! Bei spiel: Klinikatlas. Es stimmt teilweise nicht, was dort zu lesen ist. Viele Zahlen sind einfach falsch. Sowohl was das Verbundkrankenhaus betrifft, als auch in anderen Bereichen.

 

Wir haben mit unseren beiden Standorten gezeigt, dass hochwer­tige Versorgung an kleineren Häusern möglich ist. Wobei wir in Linz und Remagen zusammen gar nicht mehr so klein sind. Aber den Versuch des Bundesgesundheitsministers, uns aus dem Verkehr zu ziehen, halte ich für schwierig. Wir haben beispielsweise einen sehr guten Kontakt zu den Maximalversorgern an der Uniklinik in Bonn (Prof. Dr. Dieter Christian Wirtz) oder dem Ev. Stift Krankenhaus Koblenz bezie­hungsweise dem Bundeswehr-Zen­tralkrankenhaus in Koblenz (Prof. Dr. Erwin Kollig).

 

„Das Verbundkranken­haus ist keine Fabrik. Bei uns wird niemand durch­geschleust, wir haben einen direkten Kontakt zu unseren Patienten. Sowohl im Bereich Ärzteschaft als auch in der Pflege.“

 

TICKER: Das heißt was?

 

Greiner: Das bedeutet, wir bekom­men auch Patienten von dort. Oder, wenn es um komplexere Fälle geht, die wir in unserem Setting nicht behandeln können, dann schicken wir die zu den Maximalversorgern. Wir bekommen gleichzeitig die Rückmeldung, dass es fatal wäre, wenn wir unsere Versorgung sowohl im unfallchirurgischen, als auch im orthopädischen Bereich nicht mehr leisten würden. Der Grund: Die Maximalversorger sind bereits an ihrer Grenze angelangt. Und wenn jetzt auch noch „kleine Häuser“ geschlossen würden, hätten die Großen gar keine Chance mehr, ihr Tagesgeschäft zu absolvieren. Dieser Atlas ist handwerklich schlecht gemacht und für Patienten potentiell gefährlich. Das beklagt auch der Krankenhausspitzen ver­band.

 

Außerdem weise ich den Lauterbach-Vorwurf, dass Qualität bisher keine Rolle an kleinen Häusern gespielt hat, entschieden zurück.

 

TICKER: Als Sie vor gut fünf Jahren in Remagen begonnen haben waren es dort ca. 180 Endoprothetik-Eingriffe im Jahr. Wie sieht es heute aus?

 

Greiner: Wir sind an beiden Stand orten inzwischen bei etwa 780 Endoprothetik-Eingriffen. Die Wechseloperationen haben sich mehr als verdoppelt.

 

TICKER: Wie groß ist der Einzugsbereich des Verbundkrankenhauses Linz/Remagen?

 

Greiner: Unsere Patienten kommen von entlang des Rheins. Von Koblenz über die Vor-Eifel bis Bonn. Wobei der Rhein eine Grenze bildet. Die Patienten wechseln kaum die Rheinseite. Im Gegensatz zu uns Operateuren. Die Standorte Linz und Remagen haben tatsächlich jeweils ihr eigenes Publikum.

 

TICKER: Was ist das Besondere in Linz und Remagen? Ist das Franziskaner-Erbe noch lebendig?

 

Greiner: Ich habe ein Team mitgebracht, das zuvor bei Maximalversorgern gearbeitet hat. Und wir zeigen, dass qualitativ hochwertige Arbeit auch in kleinerem Rahmen möglich ist. Es ist schlicht und ergreifend die Regionalität, die unsere Patienten überzeugt. Die Menschen fahren heute nicht mehr nach Köln, um sich operieren zu lassen. Sie wissen inzwischen, hier vor der Haustür kann ich mich genauso gut versorgen lassen. Und: Das Verbundkrankenhaus ist keine Fabrik. Bei uns wird niemand durchgeschleust, wir haben einen direkten Kontakt zu unseren Patienten. Sowohl im Bereich Ärzteschaft als auch in der Pflege. Das hat eben Tradition. TICKER: Mit Ihnen hat das Ver bundkrankenhaus Linz/Remagen sein Leistungsspektrum im Bereich Orthopädie in den vergangenen fünf Jahren weiter ausgebaut. Was ist dazugekommen?

 

Greiner: Knie und Hüfte gab es hier schon immer. Inzwischen wurden die Operationen standardisierter und mehr. Auch die Schulter-Endoprothetik kam hinzu. In Linz bieten wir außerdem Hand-Chirurgie an. Vor allem haben jedoch die Wechseloperationen für Knie und Hüfte an beiden Standorten zugenommen.

 

TICKER: Setzen wir den Akzent auf Revisionen: Welche Gelenke behandeln sie vorrangig? Und welche ic-Endoprothesen verwenden Sie und ihr Team?

 

Greiner: Bei den Wechsel-OPs machen wir Knie und Hüfte - komplett. Von der Abstützschale beim großen Knochendefekt über den Knochenaufbau. Unser Haus verfügt über gefrorene Gelenkköpfe für größere Aufbauten sowohl am Knie als auch an der Hüfte. Es gibt nur ganz wenige Fälle, die wir ablehnen oder weiterschicken.

 

„Die ACS® SC- und MUTARS® GenuX® MK -Instrumentarien mussten so angepasst werden, dass sie für beide Endoprothesenfamilien - „Two in one“ - funktionieren.“

 

Wir haben keine eigene Knochenbank, da ist uns der Aufwand zu groß. Aber wir arbeiten mit einer Firma zusammen, der wir unsere gesammelten Gelenkköpfe zukommen lassen und gleichzeitig Gelenkköpfe bekommen, wenn wir sie brauchen. Über diesen Zulieferer läuft auch unsere gesamte Knorpeltransplantation. Der biologische Aufbau in jüngeren Jahren eines Patienten ist natürlich meine favorisierte Variante.

 

TICKER: Wann sind Sie erstmals mit Endoprothesen von implantcast in Kontakt gekommen?

 

Greiner: Die Endoprothesen von implantcast kannte ich bereits aus meiner Zeit in Köln. Aber auch im Kreiskrankenhaus Dormagen (Prof. Dr. Guido Saxler) habe ich mit diesen Implantaten für den Bereich Revision Erfahrungen gesammelt. Dann aber auch mit den Primärim plan taten. Deswegen habe ich das Portfolio in Linz und Remagen entsprechend verändert.

 

„Bis 2025 soll auch in Linz noch das Endoprothesenzentrum entstehen. Das bedeutet für unser Verbundkrankenhaus eine Standortsicherung.“

 

In der primären Versorgung verwenden wir seitdem EcoFit® bei den Hüften und das ACS®-System beim Knie. Und als Revisionsinstrumentarium wollte ich das GenuX®-Sys tem haben. Es ist sowohl sehr anwenderfreundlich und für die Patienten sind die Ergebnisse recht gut. Wir brauchten ein sehr kompaktes System in entsprechenden Kisten, was wir sowohl in Linz als auch in Remagen verwenden und was wir möglichst einfach von einem Haus ins andere transportieren können – mit der Rheinfähre, mehrfach am Tag. Das jeweilige Übersetzen ist übrigens auch für uns als Operateure immer wie ein kleiner Urlaub. Und diese Fähren fahren selbst bei Hochwasser noch sehr lange.

 

TICKER: Und dafür haben Sie gemeinsam mit implantcast das kompakte „Two in one“ entwickelt.

 

Greiner: Dieses Kombi-Instrumentarium war schon geplant, das kann ich mir nicht so ganz auf die Fahne schreiben. Aber es war ein Wunsch. Heißt: die ACS® SC- und MUTARS® GenuX® MK-Instrumentarien mussten so angepasst werden, dass sie für beide Endoprothesenfamilien -

 

„Two in one“ - funktionieren. Und 2023 war es dann so weit, Premiere in Europa: Die Verbindungen Konus zu Schaft wurden angepasst. Gleiches gilt für Implantate und Siebe. Der Vorteil für mich als Operateur ist, ich kann mich während der Operation, je nach Situation, entscheiden und muss das nicht schon vorher tun. Wenn ich also intraoperativ merke, so funktioniert das nicht, muss ich nicht noch einmal den gleichen Satz an Kisten öffnen lassen. Ich kann mit einem Instrumentarium zwei Sys teme durchspielen bis zum Ende. Das ist der Vorteil. Außerdem hat sich die Lagersituation verändert. Es sind genau die gleichen Schäfte für beide Systeme. Früher hatten wir doppelt so viele Kisten für Siebe und Implantate herumliegen.

 

TICKER: Eine Endoprothese für ein defektes Knie ist für Sie die „ultima ratio“. Sie versuchen jedoch zuvor noch ihren Patienten die Knochensubstanz zu erhalten. Stichwort: Chondrozytentransplantation. Wieso?

 

Greiner: Hier geht es zunächst einmal um jüngere Patienten, etwa 20- bis 40-Jährige. Die meisten von ihnen brauchen später dann doch eine Endoprothese. Aber zunächst einmal ist es gut, mit einer Chondrozytentransplantation oder ähnlichem ein paar Jahre zu überbrücken. Eine derartige OP hält nicht für immer. Aber den Versuch ist es wert.

 

TICKER: Wohin wollen Sie die Endoprothetik in Linz und Remagen in den nächsten Jahren entwickeln?

 

Greiner: Bis 2025 soll auch in Linz noch das Endoprothesenzentrum entstehen. Das bedeutet für unser Verbundkrankenhaus eine Standortsicherung. Die bereits erwähnte Veränderung der Krankenhauslandschaft benötigt diese Spezialisierung. Und durch bereits erfolgte Orthopädie-Schließungen benachbarter Häuser konnten wir bereits unseren Einzugsbereich etwas erweitern.

 

TICKER: Alle Welt spricht von Künstlicher Intelligenz. Auch in der Endoprothetik gibt es seit Jahren immer wieder Ansätze zur Robotik. Erwarten Sie in nächster Zeit einen neuen Schub?

 

Greiner: Gerade in der Knie-Endoprothetik befassen sich immer mehr Kollegen mit der assistierten Robotik, also zum Beispiel dem Ausmessen mit Sensoren. Diese Ansätze werden viel diskutiert, haben sich in der Breite aber bisher nicht ganz durchgesetzt. Wir operieren nicht so. Für uns ist die Orthopädie und die Endoprothetik noch immer handwerklich geprägt. Denn es geht nicht nur um den perfekt ausgemessenen Winkel beim Knie. Hier spielt vor allem die Weichteilkomponente eine große Rolle. Die Physiologie muss nach der OP schnellstmöglich wiederhergestellt werden. Wie schnell das eine KI schafft, muss sich noch zeigen. Wird aber vermutlich passieren.

 

TICKER: Herr Dr. Greiner, besten Dank für das Gespräch.

 

Zur Verfügung gestellt worden von:

 

implantcast GmbH

Lueneburger Schanze 26

D-21614 Buxtehude

www.implantcast.de